2010 – Dolomiten-Klettersteige vom Feinsten
03.07.-11.07.2010
Diesen Sommer ging es also los. Zum ersten Mal mit dem DAV länger unterwegs, zum ersten Mal in den Dolomiten, zum ersten Mal auf über 2000m Höhe. Es gab also 7 Tage nonstop neue Eindrücke. Was soll ich also einem alten Hasen schreiben, wie es war? Nun ja, vielleicht kann ich ja dennoch alte Erinnerungen wecken.
Jeder, der mit dem DAV unterwegs ist, sollte, finde ich, wenigstens einmal ein Edelweiß gesehen haben. Dafür sorgte Uli, der mich auch sonst mit seinem (u. A. pflanzenkundlichen) Wissen überraschte.
Neben Edelweiß überwältigten mich vor allem die bunten Almenwiesen mit Enzian und vielerlei blühender Blumen. Mitten darauf natürlich die obligatorischen Kühe – was wäre eine Alm ohne sie. Sie ist uns auch Begleiter beim Verweilen am Lé de Limo – Bergsee und weiß sehr wohl dieses schöne Plätzchen zu verteidigen.
Dafür lohnte sich der Aufbruch am See, so erhaschten wir noch den letzten Part vom Jazz-Konzert an der Lavarella-Hütte (2042m). Übrigens eine sehr familienfreundliche Hütte und direkt vor dem so genannten „Parlament der Murmeltiere“ – auch so eine Spezies, die mir bis zu meinem 30. ten Lebensjahr nie frei begegnet war. Klar waren auch hier die Kühe ansässig und nicht untätig, so dass der eine oder andere sein weißes T-Shirt gegen ein zerkautes Grünes tauschen musste. Kleiner Trick: Falls eine Kuh versehentlich dein Oberteil mit Gras verwechselt – schenk ihr eine Krauleinheit am Hals, das liebt sie ?.
Nein, wir waren nicht nur Baden und Essen, an diesem ersten Tag hatten wir bereits süße 1000 Höhenmeter unter uns gelassen. Dies war doch eine Klettersteigtour im Fanesgebiet der Dolomiten. Zugegeben mussten die Klettersteige noch einen ganzen weiteren langen Tag warten, an dem wir über den Lavarellagipfel (3055m) zur Ütia Scotoni (1985m) wanderten… bergstiegen…marschierten…krochen? Vielleicht war es eine Art Musterung der Gruppe, schließlich konnte man gut die Disziplinen Ausdauer, Schnelligkeit, Mut, Trittsicherheit und Free-Solo-Klettern, sowie Gelenkbeschaffenheit (v. a. Knie) und Schuhqualität beurteilen. Wenn nicht an diesem Tag, dann am Nächsten.
- Im oberen Fanes-Tal
- Im oberen Fanes-Tal
Wie dem auch sei, nach dieser Tour waren wir Allem gewachsen und immerhin war es der einzige Gipfel, den wir tatsächlich ALLE 8 in der einen Woche bestiegen. Nebenbei war es auch ein sehr Schöner und wir hatten unseren Spaß, über die Schneefelder bergab zu fahren. Wir genossen die einsame Gemeinschaft mit den Alpendolen, die Sonne und den Alpenmohn, der erstaunlicherweise nicht mehr als einen Spalt zwischen Kies zum Leben braucht – ziemlich abgehärtet. Wir hatten uns tatsächlich die schönste Woche des diesjährigen Sommers für unsere Tour ausgesucht. Während daheim unsere Freunde vor Hitze vergingen, zogen wir uns neben der Sonnenbrille zeitweise lieber langärmlig an, ohne einen einzigen Tag Regen! Besser geht’s nicht!
- Oberhalb der Lavarella-Hütte
- Viel Steine gab’s… Nahe der Lavarella-Scharte
- Im Aufstieg zur Lavarella
- Geschafft!
- Große Fanes-Alm
- Scotoni-Hütte
- Unterwegs zum Bivacco della Chiesa
Gleich der erste ein Klassiker: Der Tomaselli. Er führt auf die südliche Fanesspitze (2980m). Es heißt, sie sei eine der schönsten Bergformationen der Dolomiten von Süden aus gesehen. Da kann ich nicht mitreden, sie ist auf jeden Fall wunderschön und sehr beeindruckend.
Der Klettersteig selbst beginnt an einer Biwakschachtel („Della Chiesa“). Die eigentliche Kletterei beträgt 300m rauf und ca. 140m runter, danach allerdings noch 100m Geröllpiste mit Steinschlaggefahr. Die Schlüsselstelle der Kletterei ist ganz vorn, nämlich die Querung unterhalb der alten Holzleitern aus dem ersten Weltkrieg. Alles andere ist zwar steil, aber gut machbar an schönem, griffigem Dolomit-Gestein. Den wollte ich am Liebsten gar nicht mehr loslassen, viel schöner als unser nordischer Kalk. Schön auch, weil so lang…nicht 30…300 Meter!!! Wann kommt unsereins schon mal in solchen Genuss!!! Tourendaten: Kletterzeit 2 Std, Abstiegszeit 2,5 Std.
Schwierigkeit „D“ (A=leicht bis F=extrem), zumindest teilweise (s. o.), der Steig ist luftig und ausgesetzt (meint steil bis überhängend), teils schmale Bänder ohne Sicherung. Kurzum, er beinhaltet ein ganzes Sammelsurium neuer Vokabeln für ein kleines Nordlicht wie mich.
- Schon näher am Bivacco della Chiesa
- Einstieg des „Tomaselli“
- Weiter oben
- Noch weiter oben
- Dem Gipfel nah‘
- Fast am Ziel
- Auf der südlichen Fanisspitze
- Unterhalb des Großen Lagazuoi
- Auch der Abstieg fordert
Fazit: Wer Tag 2 geschafft hat, schafft auch Tag 3. Wenngleich wir Zeugen eines Hubschraubereinsatzes wurden, als aus der Gruppe nach uns eine Person von einem Felsplateau abgeholt werden musste. Ganz ohne ist das alles also doch nicht.
Am Abend kamen wir an der Lagazuoi-Hütte (2752m) an. Dort trafen wir auf unsere zwei, die nach den gestrigen Strapazen heute eine Pause eingelegt hatten. Das fand ich auch sehr schön, dass es möglich war, Etappen bis zu ganzen Tagen mal auszusetzen, wenn es nicht mehr ging, schließlich war die Woche doch sehr anspruchsvoll.
Ein Wort zur Rifugio Lagazuoi: Sie ist eine der höchstgelegenen Hütten in den Dolomiten und bietet von ihrer Terrasse aus eine unglaubliche Aussicht auf die Gipfel, wofür sie weltbekannt ist und das Panorama bereits auf diversen Titelseiten erschienen ist (heb bloß die Fotos auf, Uwe!). Kein Wunder also, dass man es hier einen ganzen Tag lang gut aushalten kann. Außerdem kann man hier kostenlos Wehrgänge und Schützengräben des Gebirgskrieges mit Erläuterungstafeln besichtigen. Sie gehören zum Freilichtmuseum des großen Krieges, welches die Auseinandersetzung zwischen den italienischen Alpini und den österreichischen Kaiserjägern im 1.WK hier präsent halten soll. Das verfolgt uns auch die nächsten Tage noch. Aber zunächst genießen wir vom Gipfel des Kaiserjäger-Steigls aus die rote Abendsonne.
- Abends auf dem kl. Lagazuoi
Am nächsten Tag rüsten wir uns mit Stirnlampen und gehen den zweiten Klassiker, den Lipella-Steig, der durch die berühmte Galleria del Castelletto (500m langer Kriegsstollen) beginnt. So richtig Höhenmeter machen wir heute insgesamt nicht, dafür Klettersteigstrecke mit Schwierigkeitsstufe C/D, mit mitunter trotzdem sehr steilen Abschnitten. Außer Corinna geht aber keiner bis zum Gipfel der Tofana Di Rozes (3225m). Wir anderen gehen nur bis zu den Tre Dita (2693m), sehen tatsächlich wie drei Finger aus. Von hier aus gehen wir zur Rif. Giussani (2580m) und halten ab dann Ausschau nach Corinna (mit Apfelstrudel und Kaffee – sie hat es ja nicht anders gewollt?).
- Am Einstieg der „Gallerie del Castelletto“
- Am Einstieg der „Gallerie del Castelletto“
- Einstieg der „Gallerie del Castelletto“
- „Gallerie del Castelletto“
- „Gallerie del Castelletto“
- Rush-hour
- ein tschechischer Bus ist angekommen
- Ferr. Lipella
- hoch über dem Travenanzes-Tal
- die letzten Meter
- Rif. Giussani
- Früh Morgens
Inzwischen ist es schon Donnerstag geworden und wir machen uns auf, zurück zur Ausgangshütte. Natürlich nicht ohne zwei Klettersteigpartien mitzunehmen. Allerdings ist dieser Tag eher etwas unspektakulär und entspannend, außer man entschließt sich, den langen Abstieg zu Fuß statt mit der Seilbahn zurückzulegen. Auf diesem Weg dann in einem Nobelrestaurant am Privatsee, verdreckt, wie man ist, ein Glas Cola zu trinken….und sich an der Absurdität des Augenblickes zu erfreuen, während die anderen in der Stadt einen großen Eisbecher verzehren.
Die Wirtin kennt uns ja schon und serviert Menü 2 -zur Vorspeise so etwas wie ein kleines Lasagne`chen und zum Hauptgang irgendeine italienische Spezialität (Carpaccio vom Feinsten), die Nachspeise wird schon schwer im Magen. Wer auf der Tour abnehmen wollte, war hier definitiv falsch. Neben den inzwischen täglichen Grappas kommt heute Wein dazu – naja, es ist ja schon Donnerstag und Walter schmerzen die Zehen – sehen auch böse aus, Sinnika das Knie, uns anderen bestimmt auch irgendwas…da muss schon was zusammenkommen und – man glaubt es kaum – es lässt sich noch steigern!!!
- Sentiero Astaldi
- Sentiero Olivieri
- Sentiero Olivieri
- Cortina d’Ampezzo
Freitag: Via ferrata Albina Michielli Strobel, wieder ein C-Klassiker. Irgendwie ist der Plan den hoch zu heizen und von da zur Mittelstation, um auf den Cristallo zur Lorenzi-Hütte zu gondeln. Guter Plan, aber er geht nicht auf! Der Zustieg ist schon recht lang und das Ganze ist so steil, dass wir uns öfters Zeit lassen und die Aussicht genießen. Nächster Plan: Wer nicht schnell genug hoch, der jetzt schneller runter. Ein Vorlauf-Trupp wird organisiert- Zitat (in etwa): „Ich fühle mich wie in der Bundeswehr – find ich gut.“ Mhm…Autos holen, dann fahren wir eben von der Talstation hoch. Gesagt getan, kurz vor Torschluss sitzen wir in den Tonnen-Gondeln und juckeln unserem Tagesziel entgegen. Übrigens schöne Aussicht von hier. Die Lorenzi- Hütte (2932m) war von Anfang an das Hütten-Highlight und ich bin gespannt. Ja, nicht zuviel versprochen.
Die Aussicht ist phänomenal. Die Hütte steht mit Hilfe von Pfählen einfach so auf einem Gipfel. Sie liegt noch höher als die Lagazuoi und man sieht locker bis nach Österreich. Von hier kann man auch noch den Ferrata Bianchi zum „Hausgipfel“ anschließen – klar – Klettersteigtour, also jeden Steig mitnehmen, wahlweise auch am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang. Hier erfolgte mein erster Eintrag in ein Gipfelbuch: Mitten rein! Anschließend toppten wir unseren täglichen Alkoholgenuss und erweiterten das Sortiment um verschiedene Grappa-Sorten. Meine Empfehlung: Enzian-Grappa ist nur was für Harte; um das Glas Gamsmilch runterzukriegen, muss man schon ein außergewöhnlicher Tierliebhaber sein; und machbar, aber auch nicht schön ist der Fenchelgrappa. Also Top: Das kühle Bier.
- Ferr. M. Strobel
- Ferr. M. Strobel
- Rif. Lorenzi
- Ferr. M. Bianchi
Für den letzten Tag hat Uli sich noch ein kleines Schmankerl bewahrt, nämlich die Hängebrücke „Ponte Cristallo“ auf dem Sent. Ferr. Dibona. Somit gab`s jeden Tag eine Attraktion. Der Dibona-Klettersteig war nun also unser Ausklang. Nochmal an Befestigungsanlagen vorbei, noch mal auf schmalen unbefestigten Bändern (darauf waren wir ja jetzt fit), noch mal Edelweiß und Enzian bewundern, Gemsen zurücklassen und am Schluss das kühle Nass eines Brunnens – diesmal kein See.
Zusammenfassend kann man sagen: Wir waren eine nette 8-Leute-Gruppe mit einem kompetenten Führer und einem schönen Reiseziel. Danke an alle.
- Forc. Staunies und Rif. Lorenzi
- Ein seltsamer Einstieg zum Klettersteig
- DIE Brücke
- Ferr. Dibona
- Reste des Dolomitenkrieges
- Reste des Dolomitenkrieges
- Ferr. Dibona
- Ferr. Dibona
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