Sektion Hildesheim des
Deutschen Alpenvereins (DAV) e.V.

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DAV-Hildesheim

Transalp-Runde Alta Rezia August 2009


Nach zwei Jahren Transalpabstinenz und Formschwäche habe ich es in diesem Jahr mal wieder gewagt und mir was besonders schönes ausgesucht. Bei Bikealpin habe ich die Transalp-Runde Münstertal gebucht. Keine Transalp im eigentlichen Sinne, sondern eine Rundtour um den Schweizer und den Nationalpark Stilfser Joch. Wie sich zeigte hat das den Vorteil, daß man die schönsten Touren in einem Gebiet aneinanderreihen kann und sich mittelmäßige Überführungsetappen spart.

Es fand sich eine sehr nette Gruppe zusammen, wir hatten herrlichstes Wetter, nur Sonne, und Gitta als Guide ist sowieso super. Gitta und Stephan hatten ihre guten Kameras dabei und haben Unmengen phantastische Fotos geschossen, von denen viele im neuen Katalog gelandet sind. Letztlich hatten wir sechs Etappen, 330 km und 9400 Höhenmeter, dabei einen sehr hohen Trailanteil, und das Ganze landschaftlich einfach herrlich. Dazu viel exotisch rätoromanisches Flair und leckeres Essen. Hier mein Bericht:

In St. Maria im Val Müstair sind wir feudal im altehrwürdigen Schweizerhof untergebracht. Am Morgen geht es zunächst die Umbrail-Paßstraße hoch. Da zwischendurch zweieinhalb Kilometer geschottert sind hält sich der Verkehr selbst für einen sonnigen Feiertagsferiensonntag sehr im Rahmen, vor allem sind kaum Knatterköppe unterwegs. Von der Paßhöhe kann man erahnen, was dagegen am benachbarten Stilfser Joch los ist, und man ist froh dort nicht zu sein. Vom Paß einen Trail, teils schiebend, zur Bocchetta di Forcola. Einige italienische Wanderer sind auch dort, und wir fragen uns, ob es wohl in Italien Hot Pants im Outdoor-Shop zu kaufen gibt. Kurz runter und wieder hoch zur Bocchetta di Pedenolo, dann eine alte kurvige Militärstraße runter zu einer Alm, und ab dort einen schotterigen Trail mit engen, ausgesetzten Serpentinen über einen Felsriegel hinunter. Eine Serpentine bin ich sogar gefahren. Mittagspause auf einer netten Alm am Lago di San Giacomo, von dort durch eine felsige Schlucht steil hoch ins Val Trela. Hinter einer Kurve befindet man sich dann plötzlich in einem weiten grünen Hochtal, über Wiesen führt ein zu weiten Teilen fahrbarer Trail zum Paß und wieder hinunter.

Dann schieben wir mühsam durch eine Baustelle zum oberen Weg, der bald zu einem schönen Waldtrail wird, fast wie zuhause. Der endet am Lago di Livigno, und wir fahren durch den gesamten langgezogenen Ort zur Unterkunft im Hotel Astoria.
Feiertagsferienwochenende im Zollfreigebiet – da ist schon was los. Und wir hatten am ersten Tag zum Einfahren mal eben 400 Höhenmeter mehr als ausgeschrieben.

Von Livigno geht es zurück an die Stauseen, aber auf anderem Weg. Nach wenigen Metern legt sich Gerhard auf einem harmlosen Radweg auf dieselbe Schulter, die er sich schon am Vortag angehauen hat. Die Auffahrt zum Alpisella ist breiter als vor neun Jahren, aber immer noch steil. Und die Paßhöhe ist mit Aussicht schöner als damals im Nebel. Abfahrt erst auf Schotterpiste, die zweite Hälfte auf einem netten Trail. Über den Passo di Fraele geht es ans andere Ende des Livigno-Sees, spektakulär über ihm entlang, und dann auf einem wunderbaren Weg in weiten Serpentinen durch Arvenwald hinauf zu einer Alm mit Panorama.

Kurze Pause, und über Wiesen zum Passo del Gallo nach Jufplaun. Steil hinab nach Buffalora, mein Tacho zeigt 24%, die wirken bergab fast steiler als bergauf. Nette Einkehr im Hotel Il Fuorn, und dann leider auf der Ofenpaßstraße hinab nach Zernez im Oberengadin, inklusive Mordanschlag von einem Audipanzerfahrer. Von dort überwiegend auf Nebenstrecken hübsch das Engadin hoch bis Pontresina, wo ich zum ersten Mal den Biancograt aus der Nähe sehe.

„Willst Du nicht aufstehen?“ Das Hotel Palü liegt nicht nur mit Blick auf den Piz Palü, sondern auch an der Hauptstraße, so daß ich mit Ohrenstöpseln schlafend nichts mitgekriegt und das Frühstück verpaßt habe. Also Schnellstart: Zähne putzen, Sachen packen, ein schnelles Schälchen Müsli, aufs Rad und los. Die anderen warten schon. Fast komplett auf Trails zum Lago Bianco am Berninapaß und drum herum. Frühe Mittagspause an der Alp Grüm mit Aussicht auf Gletscher, Eisenbahn, Downhiller und den steilen Abbruch runter nach Poschiavo. Gitta warnt vor den reifenmordenden Wasserrinnen, trotzdem bei uns drei Platten, bei anderen Gruppen auch, alle 50 Meter sitzt wer am Rand und flickt. Bezeichnenderweise erwischt es nur die Schnellen. Die sonst Langsamen sitzen unten in der Sonne und warten. Wir besichtigen Gletschermühlen und stürzen uns in die zweite Steilstufe. Miriam hatte berichtet, wie sie dort zwei Wochen vorher gestürzt ist, dementsprechend gehe ich voreingenommen an die Sache ran und kullere prompt auch in die Büsche. Zwar nicht in Miriams Brennesselfeld, aber ebenfalls an einer an sich harmlosen Stelle. Der Abschnitt wird von mir kurzerhand „Hildesheimer Loch“ benannt. Kaffeepause in Poschiavo, und links am Lago di Poschiavo vorbei. Sehr hübsch und gemütlich, nur am Ende übel rappelige Steinplatten. Dann wird’s nochmal heiß: fünfhundert Meter Asphalt zwischen 14 und 20 Prozent in der Sonne bei über 40 Grad, viele Serpentinen nach Viano.

Ein malerisches kleines Bergdorf, hinter dem eine tolle Abfahrt lockt. Wir schieben einen wilden Trail runter, plötzlich kommt Fortunato aufgeregt wieder hochgerannt: „Wir haben ein Problem! Wilde Bienen! Zwei wurden schon gestochen!“ Das Problem wird gelöst (Ganzkörperkondom), ein weiterer Reifen geflickt, auf Karrenwegen und steilen Weinbergstraßen geht es hinab ins Veltlin nach Tirano. Tagesbilanz: 1600 Meter Downhill auf Trail, Gerhard kriegt vom Arzt Sportverbot, ein lauer Abend, eine heiße Nacht.

Von Tirano die Adda entlang langsam taleinwärts. Im Supermarkt in Grosio Sturm auf die Bananenabteilung, wir kaufen ein fürs Picknick. In Le Prese schließlich rechts ab, aus dem lauten Veltlin steil hinauf nach Frontale und weiter nach Fumero. Bei der Hitze habe ich mich wieder als Vorletzter einsortiert. Nach etlichen Serpentinen klötert von hinten ein Zweitakttransporter heran, laut hupend. Auf der Ladefläche sitzt Frank mit seinem Fahrrad, huldvoll winkend wie Königin Beatrix. Am Ende der Straße, im „Paradies von Fumero“, so ist es an der Wand zu lesen, wo die alten Frauen tatsächlich noch die Wäsche im Brunnen waschen, verspeisen wir die mitgebrachten Leckereien, und weiter geht’s steil das Val di Rezzalo hoch. Richtige Mittagspause im Rifugio La Baita, wunderbar gelegen in einem weiten Tal, über einem Almdorf mit großer Steinkirche. Alessandro der Wirt sehr nett, das Essen lecker, die Polenta duftet verführerisch, es gäbe sogar Bremsbeläge zu kaufen. Weiter vorbei an Almen und kleinen Weilern. Hier sieht man genau die Bilder die man im Kopf hat, wenn man an Transalp denkt. Ruhig und abgelegen möchte man das Tal nennen, aber das paßt nicht: abgelegen ja, aber ruhig nicht ganz. Überall basteln Leute an Häusern rum oder machen Heu. Die Almen verfallen hier nicht, wie in vielen anderen Tälern, sondern werden von den Einheimischen zumindest als Wochenendhäuser genutzt. Geschäftige Ruhe, könnte man also sagen. Am Passo del’Alpe schöne Ausblicke auf die Gletscher der Forni-Gruppe und eine Schafherde. Es dauert nicht lange bis sich die Hütehunde neugierig an uns ranschleichen um unsere Vorräte zu inspizieren. Zunächst über einen kniffligen Trail, dann über grobschotterige Piste hinunter zur Gavia-Paßstraße, wo uns der Verkehr wiederhat. Unter größten Gefahren (Trantüten und Heizer) erreichen wir das nette Sporthotel im Etappenziel Santa Caterina. Pässefahren auf dem Rennrad soll ja toll sein, heißt es – von wegen. Bloß weg von der Straße!

Königsetappe. Wir fahren in das Val dei Forni hinein, vom Start weg steil, und noch mehr Verkehr als auf der Gaviastraße. Auto an Auto. Am großen Parkplatz am Hotel Forni hat das endlich ein Ende, ab dort geht es mit vielen Wanderern weiter ins Tal hinein, mit dem Fornigletscher im Gegenlicht, durch das baumbestandene Tal windet sich ein Bach – toll. An der Forni-Alm laden gelbe Sitzkissen zur Rast in der Sonne. Sitzkissen? Nein, es handelt sich um leckere Käselaibe! Wir zweigen links ab ins Val Cedec, unterhalb des Pasquale zur Pizzini-Hütte, immer die Königsspitze im Blick. Für Mittag sind wir hier zu früh dran, so geht es nach Kuchen und einer kurzen Fotoeinlage (Frank auf der Treppe vor Königsspitze) weiter Richtung Zebrupaß. Fotomotive braucht man hier nicht lange suchen, ein herrliches Panorama im Talschluß mit den Gletschern von Pasquale, Cevedale und Königsspitze. Problemlos erreichen wir den Paß auf 3005 Metern, herrlichstes Wetter, tolle Motive. Auf dieser Höhe ist man schließlich nicht alle Tage mit dem Fahrrad unterwegs. Dann die Abfahrt. Das heißt, einige hundert Meter wird zunächst geschoben und getragen, teils seilversichert über Felsstufen. Eine Bachüberquerung – mit Cleats freihändig auf nassen Felsen über einen reißenden Bach zu turnen ist nicht mein Fall. Doch bald wird der Weg fahrbar, steil und schmal schlängelt er sich den steilen Grashang hinaus, höchste Konzentration ist gefragt. Praktisch: Michi fährt vor mir, und so sehe ich rechtzeitig, wann auch ich absteigen muß. Insgesamt aber auch hier überraschend viel für mich fahrbar. Ausgiebige Pause am kleinen Rifugio Campo, dann auf Piste runter nach Bormio, immer schön auf die vielen Ausflügler achtend. In Bormio lassen wir den Tag auf dem historischen Marktplatz bei leckerem Kaffee, Spritz und Affogato ausklingen. Anschließend ins Hotel Funivia, am Fuße der Weltcupabfahrt. Auch hier die Wirtsleute sehr bemüht, und die Nacht eigentlich zu schön um ins Bett zu gehen.

Die letzte Etappe führt uns zurück ins Münstertal. Zunächst von Bormio die Serpentinenstraße hoch zu den Torri di Fraele. Die ist inzwischen asphaltiert, vor neun Jahren noch eine wilde Schotterabfahrt. Unterhalb der Galerie beobachte ich neidisch eine Seilschaft beim Klettern. Wir fahren weiter an den Stauseen vorbei, wobei uns Teilnehmer eines Rennens entgegenkommen, mit beachtlichen Abständen. Pause im Rifugio Val Fraele, und dann weiter zum Passo Val Mora. Ein Trail führt auf und ab durch ein enges Tal. Bald nach der Brücke weitet es sich, und es geht lange sachte ansteigend durch ein wunderbares grünes Hochtal, umgeben von schroffen Felsgipfeln mit eigenartig feinen Schotterhalden. Der Bach plätschert dahin, Hirten treiben die Kuhherden zusammen. „Es ist so friedlich hier“, stellt Gitta fest. Die Kühe denen die Hirtenhunde in die Waden zwicken mögen das anders sehen, aber sonst hat sie vollkommen Recht. Wir fahren inmitten der Kühe, genießen die sonnige Pause an unserer letzten Paßhöhe am Döss Radond, während um uns herum die Kühe ziehen. Schön. Letzte Abfahrt über Schotterpisten nach St. Maria, und der Schweizerhof hat uns wieder. Leider reisen die meisten sofort ab, so daß wir nur noch zu viert das köstliche Menü im hohen, vertäfelten Speisesaal unter Kronleuchtern genießen. Die Menüfolge füllt eine ganze Seite! Zum Absacker geht’s noch in die kleinste Whiskybar der Welt, als netter Endpunkt einer wunderschönen Rundtour.


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