Warum paddelt ein Münchner Bergfex durch den Hamburger Hafen?
Wenn man in München geboren und halbwegs gesund ist, geht am Bergsteigen kaum ein Weg vorbei. Und wenn man täglich auf dem Schulweg an der Praterinsel, dem ehemaligen Hauptquartier des Alpenvereins, vorbeikommt, dann wird man irgendwann auch Mitglied. Zwar habe ich die Grundlagen des Bergsteigens ausgerechnet von einem Hamburger gelernt, meinem Vater nämlich, den es als Einzigen der Familie beruflich in den Süden verschlagen hatte. Der Rest der Verwandten wohnte weiterhin in Hamburg, und bei Besuchen hatte ich immer viel Spaß, wenn mein Onkel, der in einer Hafenreederei arbeitete, mich auf den Barkassen und Schleppern mitfahren ließ. Als es aber mit 14 Jahren darum ging, ernsthaft klettern zu lernen, kam der alte Hamburger Vater nicht mehr mit: das ging nur mit dem Alpenverein.
Geklettert wurde damals in den Nördlichen Kalkalpen oder im Altmühltal. Es gab 6 Schwierigkeitsgrade, dicke Stiefel und Bundhosen. Die Kletterer, die in den wenigen vorhandenen „Klettergärten“ ihre Anfänge gemacht hatten und nun mit ein paar hundert Meter Luft unterm Hintern ihre Schwierigkeiten bekamen, mussten sich den Spruch anhören: „… kommst du aber ins Gelände, ist`s mit deiner Kunst zu Ende!“. Klettern nur in der Halle und für die Halle – damals undenkbar.
Auch als autarker Bergsteiger mit fester Seilschaft, später auch als Hardcore-Einzelgänger blieb ich dem Alpenverein verbunden. Das dort Erlernte hatte mein Leben mit geprägt, und das wollte ich zumindest als förderndes Mitglied ein wenig wieder gutmachen. Nur die Sektionen wechselte ich regelmäßig, als Folge der beruflichen Ortswechsel.
Meine Frau Beate habe ich beim Klettern kennengelernt, und wir haben viel Alpines zusammen erlebt. Fels-, Eis- und Skitouren sowie Weitwanderungen gehörten zu den vielseitigen Angeboten der verschiedenen Sektionen. Mit drei Kleinkindern allerdings klettert man nicht mehr. Dafür kann man sich vielleicht einen großen Canadier kaufen, wo alle reinpassen und nach und nach in einen gemeinsamen Sport hineinwachsen. Und wenn die Kinder ausgewachsen sind, die kaputten Knie aber das Laufen und Klettern nicht mehr zulassen, dann ist das Paddeln im Candier oder im Seekajak ein prima Weg zu neuen Naturerlebnissen und Selbsterfahrungen. Die Harz- und Heideflüsse, Mecklenburgs Seen und nun die Seenwelt und die Ostseeküste Schwedens sind unsere Reviere.
Und plötzlich entdecken wir in der „Hütte“ eine Einladung zum Feierabendpaddeln mit dem neuen Spartenleiter Rolf Inkermann und dem Wanderwart Joachim Wichmann. Eine nette Gruppe, die einen unverbindlich mitmachen lässt. Dann großartige Ideen wie ein Kenter- und Eskimotierkurs, den man erlebt haben muss, weil er Spaß macht und Sicherheit gibt. Schließlich geführte Touren wie die Potsdamer Schlösserfahrt, wo man perfekte Organisation in Verbindung mit Sportsgeist aller Teilnehmer aus nächster Nähe kennenlernen kann. Und nun tun diese beiden Recken eine Einladung zur Harburger Hafenrundfahrt auf! Wir entscheiden uns für die lange Strecke. 24 Km, von der Süderelbe unter der Köhlbrandbrücke durch, zwischen den Containerriesen und Frachtern entlang, zuletzt mit Blick auf die Elbphilharmonie, die Speicherstadt und die Kirchensilhouette. Eine starke Erinnerung an die Fahrten auf dem Schlepper des Onkels, der auch längst nicht mehr lebt …
Danke, Rolf und Jochen, für diese Balance zwischen Berg und See, zwischen vorgestern und übermorgen. Der Alpenverein hält unser Naturerleben zusammen, vielseitig wie eh und je.
Bernd Rieck, Hildesheim Juli 2016
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